Prof. Dr. Ulrike Guérot am 3.6.2025:Manufactured Consent: Unterschied zwischen den Versionen
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''Das ganze irritierende Zeitgeschehen, das zunehmend zeigt, dass (auch) westliche, europäische Staaten, die das nie von sich selbst annehmen würden, problematischen Narrativen unterliegen, mit denen ganze Gesellschaften in die Gefügigkeit oder gar Kontrolle gelenkt werden, fand mit Corona seinen ersten, wirklich für viele sichtbaren Auswuchs.'' | |||
''Es gab ja schon zuvor sogenannte false flag operations [Operationen/Missionen unter falscher Flagge, Anm. d. Red.], die medial durchgestochen wurden, etwa die weapons of mass destruction [Massenvernichtungswaffen, Anm. d. Red.] im zweiten Irak-Krieg, die dann nie gefunden wurden; oder die sogenannte Brutkastenlüge im ersten Irak-Krieg. Auch die „faule-Griechen“-Erzählung während der Bankenkrise war letztlich eine Legende, waren doch im Wesentlichen die deutschen Landesbanken die Treiber oder Auslöser der Bankenkrise, nicht die Griechen.'' | |||
''Kurz: Wir sind in – meines Erachtens immer stärker – gelenkten Öffentlichkeiten. Aber es ist schwer, das zu benennen und zu verstehen, denn in der Selbstwahrnehmung sind wir ja in Europa und besonders in der Bundesrepublik Deutschland gewohnt, die Guten zu sein: demokratische Staaten mit freier Presse, Meinungsäußerung und Wissenschaftsfreiheit. Repressionen gegen Journalisten, Einengung von Meinungskorridoren etc. – das gibt es aus unserer Sicht nur in den Staaten der Achse des Bösen, also Russland, China, Iran oder der Türkei. Vielen fällt es schwer, auch nur ansatzweise zu denken, dass es auch hier anders sein könnte. Diese moralische Überlegenheit fällt uns jetzt auf die Füße, denn die meisten Bürgerinnen und Bürger bemerken gar nicht, wie sehr sie bei ARD und ZDF zwar in der ersten Reihe sitzen, aber de facto ge-brainwashed werden – und zwar in fast allen ihren politischen Einstellungen. Zum Beispiel haben vor ein paar Tagen Zehntausende in Rotterdam für Gaza protestiert. Alle Demonstranten waren in Rot gekleidet, sodass es von oben aussah, als versänke ganz Rotterdam in einem Blutbad. In den deutschen Leitmedien waren diese Bilder nicht zu sehen. Nicht-Berichten bzw. Verschweigen ist die große Schwester der Lüge.'' | |||
''Bei aufgeklärter, neutraler oder investigativer Berichterstattung der jeweiligen Vorgeschichten und einer Kontextualisierung der Konflikte in der Ukraine und in Gaza wäre die derzeitige Koste-es-was-es-wolle-Unterstützung für die Ukraine und Israel meines Erachtens politisch gar nicht möglich. Denn dann müsste man unter anderem die Ereignisse auf dem Maidan 2014 in neuem Licht betrachten. Oder man müsste konzedieren, dass Verteidigung etwas anderes ist als Vergeltung. Von anderen Themen wollen wir erst gar nicht reden. Es gibt heute eine umfassende historische oder medienwissenschaftliche Forschung über neuro-psychologische Kriegsführung, also die gezielte Lenkung von öffentlichen Meinungen, die sich mittels KI, Algorithmen und Sozialen Medien gerade in den letzten Jahren perfektioniert hat. Wenn wir glauben, wir denken frei und bilden uns eigenständig eine Meinung, dann stimmt das eben nicht. Wir sind längst in dem, was Noam Chomsky manufactured consent genannt hat, den fabrizierten Konsens: Die Medien und Zeitungen lenken unser Denken subtil und unbewusst dahin, wohin es soll. Meinungen, die nicht sein sollen oder keine Wirkung entfalten sollen, werden schon früh aussortiert – und wenn sie dann doch mal auftauchen, werden sie verlacht oder wahlweise als Querdenken, rechts oder Antisemitismus abgestempelt. Davor wiederum hat dann inzwischen jeder Angst. Also auferlegt man sich Denkverbote, weil man dazu ja nicht gehören will. Der Historiker Jonas Tögel von der Universität Regensburg hat dazu ausführlich geforscht. Seine Bücher gehörten eigentlich in alle Haushalte und Schulen.'' | |||
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Version vom 6. Juni 2025, 14:53 Uhr

Prof. Dr. Ulrike Guérot: „Es geht nicht um Logik, es geht um Propaganda“ |
„Willkommen in der Realität. Die Vernunft ist zerstört, die Gesellschaften sind zersetzt.“ Auch diese Zeilen stammen aus Ihrem Buch. Was bedeutet es für eine Demokratie, für eine Gesellschaft, aber auch für den Journalismus, wenn Medien und Politik über Jahre eine falsche, ja: propagandistisch kontaminierte Pseudorealität aufrechterhalten und der Öffentlichkeit als „Wahrheit“ verkaufen? Wir haben das bei Corona erlebt, aber eben auch jetzt, was den Krieg in der Ukraine angeht. Wie sehen Sie das?
Das ganze irritierende Zeitgeschehen, das zunehmend zeigt, dass (auch) westliche, europäische Staaten, die das nie von sich selbst annehmen würden, problematischen Narrativen unterliegen, mit denen ganze Gesellschaften in die Gefügigkeit oder gar Kontrolle gelenkt werden, fand mit Corona seinen ersten, wirklich für viele sichtbaren Auswuchs.
Es gab ja schon zuvor sogenannte false flag operations [Operationen/Missionen unter falscher Flagge, Anm. d. Red.], die medial durchgestochen wurden, etwa die weapons of mass destruction [Massenvernichtungswaffen, Anm. d. Red.] im zweiten Irak-Krieg, die dann nie gefunden wurden; oder die sogenannte Brutkastenlüge im ersten Irak-Krieg. Auch die „faule-Griechen“-Erzählung während der Bankenkrise war letztlich eine Legende, waren doch im Wesentlichen die deutschen Landesbanken die Treiber oder Auslöser der Bankenkrise, nicht die Griechen.
Kurz: Wir sind in – meines Erachtens immer stärker – gelenkten Öffentlichkeiten. Aber es ist schwer, das zu benennen und zu verstehen, denn in der Selbstwahrnehmung sind wir ja in Europa und besonders in der Bundesrepublik Deutschland gewohnt, die Guten zu sein: demokratische Staaten mit freier Presse, Meinungsäußerung und Wissenschaftsfreiheit. Repressionen gegen Journalisten, Einengung von Meinungskorridoren etc. – das gibt es aus unserer Sicht nur in den Staaten der Achse des Bösen, also Russland, China, Iran oder der Türkei. Vielen fällt es schwer, auch nur ansatzweise zu denken, dass es auch hier anders sein könnte. Diese moralische Überlegenheit fällt uns jetzt auf die Füße, denn die meisten Bürgerinnen und Bürger bemerken gar nicht, wie sehr sie bei ARD und ZDF zwar in der ersten Reihe sitzen, aber de facto ge-brainwashed werden – und zwar in fast allen ihren politischen Einstellungen. Zum Beispiel haben vor ein paar Tagen Zehntausende in Rotterdam für Gaza protestiert. Alle Demonstranten waren in Rot gekleidet, sodass es von oben aussah, als versänke ganz Rotterdam in einem Blutbad. In den deutschen Leitmedien waren diese Bilder nicht zu sehen. Nicht-Berichten bzw. Verschweigen ist die große Schwester der Lüge.
Bei aufgeklärter, neutraler oder investigativer Berichterstattung der jeweiligen Vorgeschichten und einer Kontextualisierung der Konflikte in der Ukraine und in Gaza wäre die derzeitige Koste-es-was-es-wolle-Unterstützung für die Ukraine und Israel meines Erachtens politisch gar nicht möglich. Denn dann müsste man unter anderem die Ereignisse auf dem Maidan 2014 in neuem Licht betrachten. Oder man müsste konzedieren, dass Verteidigung etwas anderes ist als Vergeltung. Von anderen Themen wollen wir erst gar nicht reden. Es gibt heute eine umfassende historische oder medienwissenschaftliche Forschung über neuro-psychologische Kriegsführung, also die gezielte Lenkung von öffentlichen Meinungen, die sich mittels KI, Algorithmen und Sozialen Medien gerade in den letzten Jahren perfektioniert hat. Wenn wir glauben, wir denken frei und bilden uns eigenständig eine Meinung, dann stimmt das eben nicht. Wir sind längst in dem, was Noam Chomsky manufactured consent genannt hat, den fabrizierten Konsens: Die Medien und Zeitungen lenken unser Denken subtil und unbewusst dahin, wohin es soll. Meinungen, die nicht sein sollen oder keine Wirkung entfalten sollen, werden schon früh aussortiert – und wenn sie dann doch mal auftauchen, werden sie verlacht oder wahlweise als Querdenken, rechts oder Antisemitismus abgestempelt. Davor wiederum hat dann inzwischen jeder Angst. Also auferlegt man sich Denkverbote, weil man dazu ja nicht gehören will. Der Historiker Jonas Tögel von der Universität Regensburg hat dazu ausführlich geforscht. Seine Bücher gehörten eigentlich in alle Haushalte und Schulen.
Das Interview führte Marcus Klöckner.
Dieses Interview erscheint mit Genehmigung der Nachdenkseiten wo es am 6. Juni 2025 erstmals publiziert wurde.