Prof. Dr. Ulrike Guérot am 3.6.2025:Gezielte Infantilisierung: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Was passiert, wenn auf falsche Prämissen gesetzt wird, weiß doch im Prinzip jeder. Die sich anschließenden Entscheidungen werden logischerweise mindestens genauso falsch sein. Wenn die Prämisse lautet, ‚Russland will uns angreifen‘, dann ist Aufrüstung logisch. Ist die Prämisse aber falsch, wird zunehmend die gesamte Politik von einem Bruch mit der Realität angeleitet. Und wir haben bei Corona gesehen, was passiert, wenn Politik, Medien und weite Teile der Gesellschaft die Scheinrealität als real betrachten. Sehen Sie eine Möglichkeit, wie dieser Teufelskreis durchbrochen werden kann?'''


''Es geht gar nicht mehr oder nicht mehr nur um falsche Prämissen, das wäre ja fast noch einfach. Es geht, wie ich vor allem im ersten Kapitel meines Buches ausführe, darum, dass uns die epistemischen, also erkenntnistheoretischen Voraussetzungen wegbrechen, die Realität zu erfassen. Das Internet, so sagen Neurologen, verändert die Lesegewohnheiten und mithin die Denkstrukturen. Wissen wird beim Wischen nicht mehr ganzheitlich erfasst, sondern man (ver-)bohrt sich Hyperlink um Hyperlink immer mehr in Details. Das räumliche Denken geht verloren, Haptik und Gefühle dazu, mit denen man Verstandeswissen überprüft. Es findet keine Kontextualisierung mehr statt. Man kann vieles verstehen, aber hat oft nichts begriffen. Das Internet, so sagt zum Beispiel die französische klinische Psychologin Adriane Bilheran, ist ein Instrument gezielter Infantilisierung und führt strukturell zum Verlust von Orientierung. Die meisten Leute schauen heute auf ihr Handy, wenn man sie fragt, in welcher Straße sie sind. Kaum jemand also kann sich noch eigenständig verorten. Eine solche Gesellschaft kann wie eine Schafherde überall hingeführt werden, da geht es nicht mehr um falsche Prämissen. Ganz davon abgesehen, dass praktisch niemand mehr liest, das Video ist das neue Buch. Aber was man hört, hat man sich eben nicht erlesen, es ist nicht zum Eigenen geworden.''


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Version vom 6. Juni 2025, 14:56 Uhr

Prof. Dr. Ulrike Guérot (Foto: Karl Gruber)

Prof. Dr. Ulrike Guérot: „Es geht nicht um Logik, es geht um Propaganda“

Inhalt

Was passiert, wenn auf falsche Prämissen gesetzt wird, weiß doch im Prinzip jeder. Die sich anschließenden Entscheidungen werden logischerweise mindestens genauso falsch sein. Wenn die Prämisse lautet, ‚Russland will uns angreifen‘, dann ist Aufrüstung logisch. Ist die Prämisse aber falsch, wird zunehmend die gesamte Politik von einem Bruch mit der Realität angeleitet. Und wir haben bei Corona gesehen, was passiert, wenn Politik, Medien und weite Teile der Gesellschaft die Scheinrealität als real betrachten. Sehen Sie eine Möglichkeit, wie dieser Teufelskreis durchbrochen werden kann?

Es geht gar nicht mehr oder nicht mehr nur um falsche Prämissen, das wäre ja fast noch einfach. Es geht, wie ich vor allem im ersten Kapitel meines Buches ausführe, darum, dass uns die epistemischen, also erkenntnistheoretischen Voraussetzungen wegbrechen, die Realität zu erfassen. Das Internet, so sagen Neurologen, verändert die Lesegewohnheiten und mithin die Denkstrukturen. Wissen wird beim Wischen nicht mehr ganzheitlich erfasst, sondern man (ver-)bohrt sich Hyperlink um Hyperlink immer mehr in Details. Das räumliche Denken geht verloren, Haptik und Gefühle dazu, mit denen man Verstandeswissen überprüft. Es findet keine Kontextualisierung mehr statt. Man kann vieles verstehen, aber hat oft nichts begriffen. Das Internet, so sagt zum Beispiel die französische klinische Psychologin Adriane Bilheran, ist ein Instrument gezielter Infantilisierung und führt strukturell zum Verlust von Orientierung. Die meisten Leute schauen heute auf ihr Handy, wenn man sie fragt, in welcher Straße sie sind. Kaum jemand also kann sich noch eigenständig verorten. Eine solche Gesellschaft kann wie eine Schafherde überall hingeführt werden, da geht es nicht mehr um falsche Prämissen. Ganz davon abgesehen, dass praktisch niemand mehr liest, das Video ist das neue Buch. Aber was man hört, hat man sich eben nicht erlesen, es ist nicht zum Eigenen geworden.

Das Interview führte Marcus Klöckner.

Dieses Interview erscheint mit Genehmigung der Nachdenkseiten wo es am 6. Juni 2025 erstmals publiziert wurde.