Prof. Dr. Ulrike Guérot am 3.6.2025:Ode an die Republik

Prof. Dr. Ulrike Guérot: „Es geht nicht um Logik, es geht um Propaganda“ |
Sie haben zum Schluss des Buches eine „Kleine Hausordnung für die Republik“ aufgestellt. Dort heißt es zum Beispiel unter Punkt 1: „Jeder besteht darauf, Bürger dieser Republik zu sein, nicht Mensch in diesem Lande.“ Das ist ein bemerkenswerter Gedanke. Würden Sie ihn bitte erläutern?
Da gibt es doch eigentlich gar nicht so viel zu erläutern, oder? Das Gegensatzpaar zum Menschen ist das Tier. Wir sind aber eben nicht, wie Angela Merkel das immer sagte, die Menschen in diesem Lande, sondern die Bürger dieses Landes, und als solche hat eine Kanzlerin uns zu adressieren. Der Verfall der politischen Kultur der Bundesrepublik hat meines Erachtens damals begonnen. Anders formuliert: Mensch-sein ist eine vorpolitische Kategorie. Bürger jedoch bezeichnet die Beziehung zum Staat, genauer: zur Republik, zur res publica, also dem allgemeinen Wohl. Wir alle sind als Bürger gehalten, an diesem Gemeinwohl mitzuwirken. Hannah Arendt weist zu Recht darauf hin, dass die Republik das inter-esse, also das Zwischen-Sein der Bürger in einem Gemeinwesen organisiert, denn niemand lebt allein.
Auch Immanuel Kant sprach bekanntlich vom mündigen Bürger, nicht vom mündigen Menschen. Ohne mündigen Bürger kann keine Demokratie funktionieren. Wenn wir uns auf vorpolitische Kategorien reduzieren lassen, dann wird es schwierig.
Das Interview führte Marcus Klöckner.
Dieses Interview erscheint mit Genehmigung der Nachdenkseiten wo es am 6. Juni 2025 erstmals publiziert wurde.