Betrug

Aus phenixxenia.org
Zur Navigation springen Zur Suche springen


Mildtätige Menschen wähnen, der schlimmste Fehler der Reichen sei, daß sie dem Volke die Nahrung verweigern, und das Volk schreit nach der Speise, die ihm durch Betrug vorenthalten ist, zu dem Herrn der Heerscharen. Ach, es ist nicht die Speise, deren Verweigerung am grausamsten, deren Forderung am wichtigsten ist. Das Leben ist mehr denn die Speise. Die Reichen verweigern den Armen nicht nur die Speise; sie verweigern ihnen Weisheit, Tugend, Seligkeit. Ihr Schafe ohne Hirten, nicht die Weide ist euch verschlossen, sondern das Leben. Speise euer Anspruch auf sie mag rechtskräftig sein; aber andere Rechte müssen zuerst erörtert werden. Fordert die Krumen vom Tische, wenn ihr wollt; aber fordert sie als Kinder, nicht als Hunde; beansprucht euer Recht, gespeist zu werden, aber lauter macht euer Recht, heilig, vollkommen und rein zu' sein, geltend; Sonderbare Worte, sie auf Arbeiter anzuwenden! "Was! heilig, - ohne lange Kleider, ohne Salböl, diese Menschen in groben Jacken und mit groben Worten, denen ungenannter, verachteter Dienst obliegt? Vollkommen! - sie mit den trüben Augen und steifen Gliedern und dem langsam erwachenden Geist? Rein! - sie mit den sinnlichen Begierden und den kriechenden Gedanken, dem unreinen Körper und der rohen Seele?" Mag sein; nichtsdestotrotz so, wie sie sind, sind sie die heiligsten, vollkommensten, reinsten Wesen, die die Erde gegenwärtig aufweisen kann. Sie mögen sein, wie du sagtest; wenn sie es sind, sind sie doch heiliger als wir, die wir sie so gelassen haben.

Quelle

Unto This Last, John Ruskin, 1860 (Übersetzung von Maria Kühn, 1910).