Kreistag Rhein-Neckar am 22. Juli 2025:Ehrenamtskarte

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Einführung der Ehrenamtskarte nach aktuellem Konzept wird abgelehnt
Wortlaut des Kreisagsbeschlusses vom 22. Juli 2025

Die Unterstützung des Ehrenamts ist dem Rhein-Neckar-Kreis ein ausgesprochen wichtiges Anliegen – fast jeder zweite Kreiseinwohner ist ehrenamtlich aktiv. Dieses Engagement verdient auch weiterhin unsere höchste Anerkennung und Wertschätzung. Der Rhein-Neckar-Kreis selbst hat beispielsweise während der Flüchtlingskrise 2015/2016 enorm von überwältigendem ehrenamtlichem Engagement profitiert, welches in großen Teilen noch heute anhält.

Dabei ist auch die Unterstützung regionaler Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber von ausgesprochen wichtiger Bedeutung: Ohne ihr Verständnis und ihre Bereitschaft wäre es vielen Bürgerinnen und Bürgern nicht möglich, sich in diesem Maße ehrenamtlich zu engagieren. Wir sind deshalb sehr froh, dass der Rhein-Neckar-Kreis sich hier auf zahlreiche Unternehmen verlassen kann – was die Ehrung zweier Unternehmen aus dem Rhein-Neckar-Kreis als ehrenamtsfreundliche Arbeitgeber im Bevölkerungs- schutz am 20.11.2024 nochmals verdeutlichte.

Ehrenamtliches Engagement ist ein unverzichtbarer Beitrag für unsere Gesellschaft, da es den sozialen Zusammenhalt fördert und bürgerschaftliche Verantwortung stärkt. Es bietet den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, sich aktiv einzubringen, Gemeinschaft zu erleben und das Leben im Landkreis positiv mitzugestalten. Diese positiven Effekte gilt es weiter zu fördern sowie das Ehrenamt zu pflegen und auszubauen. Hierfür steht der jährliche Freiwilligentag der Metropolregion Rhein- Neckar als großes Zeichen der Bedeutung von Ehrenamt für unsere Region.

Der Rhein-Neckar-Kreis unterstützt ausdrücklich die Förderung von Ehrenamt sowie das Schaffen strukturierter Angebote, sofern sie geeignet sind, ehrenamtliche Strukturen zu unterstützen und zu fördern – dies auch durch den Beauftragten für Bürgerschaftliches Engagement.

Im vergangenen Jahr gab es beispielsweise die vom Sozialministerium geförderte Veranstaltungsreihe „Nachhaltig engagiert-zukunftssicher qualifiziert“ Dieses Qualifizierungsangebot konnte von ehrenamtlich engagierten Personen kostenlos in Anspruch genommen werden. Darüber hinaus organisiert und betreut der Beauftragte für Bürgerschaftliches Engagement Netzwerktreffen, Runde Tische und Beiräte (z.B. Inklusionsbeirat).

Die Landesregierung bewirbt derzeit die landesweite Einführung einer sog. Ehrenamtskarte zur Anerkennung und Würdigung eines besonders umfangreichen ehrenamtlichen Engagements. Die Ehrenamtskarte soll in dafür zu gewinnenden Akzeptanzstellen aus den Bereichen Bildung, Kultur, Sport und Freizeit zu einem ermäßigten Eintritt oder auch zur Teilnahme an Sonderaktionen berechtigen. Bei den Akzeptanzstellen handelt es sich zum aktuellen Zeitpunkt ausschließlich um Landes- einrichtungen. Das Modell wird seit August 2023 im Landkreis Calw, im Ostalbkreis sowie in den Städten Freiburg und Ulm erprobt.

Voraussetzung für die Ausstellung der Ehrenamtskarte ist, dass sich berechtigten Personen seit mindestens einem Jahr ehrenamtlich engagieren und in den zurück - liegenden zwölf Monaten mindestens 200 Stunden freiwillig und unentgeltlich in einer Organisation für das Gemeinwohl aktiv waren. Auch bei einem freiwilligen Engagement bei einem gemeinwohlorientierten Projekt mit einem Umfang von mindestens 100 Stunden liegen die Voraussetzungen für die Ausstellung vor. Ohne Stundennachweise kann die Ehrenamtskarte nur an Freiwilligendienstleistende, Inhaberinnen und Inhaber der Jugendleitercard, Mitglieder von Einsatzabteilungen der Freiwilligen Feuerwehr oder des Technischen Hilfswerks sowie taktischer Einheiten/Einsatzeinheiten des Katastrophenschutzes ausgegeben werden.

Zuständig für die Verwaltung (einschließlich der strukturierten Akquise von Akzeptanz- stellen) der Ehrenamtskarte sind die Stadt- und Landkreise. Im Falle einer entsprechenden Antragstellung im Sommer 2025 könnte die Karte im Rhein-Neckar- Kreis gegen Ende 2025/ Anfang 2026 eingeführt werden.

Im Falle der Einführung der Ehrenamtskarte erbringt das Land folgende Leistungen: 1. Jährlicher Personalkostenzuschuss für 2025 und 2026 in Höhe von 45.600 € 2. Zusätzlicher Personalkostenzuschuss in Höhe von 45.100 € für die ersten sechs Monate (Einführungsphase) 3. Verwaltungsprogramm und App 4. Grundausstattung an Werbemitteln 5. Drucker 6. Ehrenamtskarten im Scheckkartenformat

Der jährliche Personalkostenzuschuss ist dabei aktuell nur bis Ende 2026 im Rahmen des Doppelhaushalts 2025/2026 gesichert. Zwar ist die Finanzierung der Ehrenamts- karte auch in der mittelfristigen Finanzplanung enthalten; dies stellt nach unserem Dafürhalten aber keine ausreichende Sicherheit für eine dauerhafte Finanzierung über das Jahr 2026 hinaus dar.

Folgende Aufgaben wären seitens des Kreises mit den neu zu schaffenden Stellen- anteilen zu erfüllen: 1. Verwaltung und Ausstellung der Ehrenamtskarten 2. Personalisierung der Ehrenamtskarte 3. Datenschutzkonforme Pflege der Daten 4. Fortlaufende Akquise von Akzeptanzstellen und Sonderaktionen 5. Teilnahme an monatlichen digitalen Besprechungen, die vom Land ausgerichtet werden 6. Pflege einer entsprechenden Website u.a. mit Aufführung der Akzeptanzstellen 7. Ansprechperson zum Thema Ehrenamtskarte für Bürgerinnen und Bürger einschließlich Betreuung eines hierfür eingerichteten E-Mail-Postfachs 8. Regelmäßige Weitergabe von Informationen an alle am Projekt beteiligten Personen und Institutionen 9. Zurverfügungstellung der vom Land benötigten Informationen (u.a. auch Beantragung der Mittel sowie Erstellung der Verwendungsnachweise)

Insbesondere vor dem Hintergrund der nicht auf Dauer gesicherten und je nach Aufwand wahrscheinlich auch nicht auskömmlichen Finanzierung durch das Land steht der Landkreistag Baden-Württemberg der Ehrenamtskarte kritisch gegenüber. Eine Blitzumfrage unter den 35 baden-württembergischen Landkreisen hat dies bestätigt, da die weit überwiegende Mehrheit der Landkreise in Baden-Württemberg die Ehrenamtskarte nach diesem Modell nicht einführen möchte. Bislang hat offenbar auch nur ein Landkreis gegenüber dem Land offiziell sein Interesse an der Einführung bekundet.

Gegen die Einführung der Ehrenamtskarte sprechen über die bereits erwähnte Problematik der bloßen Anschubfinanzierung des Landes hinaus der zu erwartende hohe Verwaltungsaufwand (z.B. Prüfung der erforderlichen Stundennachweise, Akquise von Akzeptanzstellen etc.) und der überschaubare Nutzen für die Berechtig- ten (geringe Zahl von Akzeptanzstellen sowie nur geringe Vergünstigungen). In diesem Zusammenhang ist auch zu sehen, dass ein finanzieller Ausgleich bzgl. der gewährten Vergünstigungen für die Akzeptanzstellen nicht vorgesehen ist.

In Summe führt die Einführung der Ehrenamtskarte zu einem Bürokratieaufbau mit unverhältnismäßigem Nutzen für die Berechtigten.

Die Verwaltung hat vor diesem Hintergrund bereits Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern des Ehrenamts geführt – namentlich seien insbesondere die Sportkreise sowie der Kreisfeuerwehrverband genannt, die insgesamt die größten Interessen- vertretungen in diesem Kontext darstellen. Von dort wird die Auffassung des Kreises zum aktuellen Modell der Ehrenamtskarte grundsätzlich geteilt; der zu erwartende Aufwand stehe in keinem Verhältnis zum Nutzen für die Ehrenamtlichen.

Der Rhein-Neckar-Kreis unterstützt weiterhin gerne etablierte Formen der Unterstützung des ehrenamtlichen Engagements. In Bezug auf die Einführung der Ehrenamtskarte empfiehlt die Verwaltung nach alldem jedoch, von der Einführung der Ehrenamtskarte im Rhein-Neckar-Kreis Abstand zu nehmen und die bisher etablierten Angebote aufrechtzuerhalten und nach Möglichkeit auszubauen.