OB Cornelia Petzold-Schick am Bruchsaler Bergfried zum 1. März 1945
- Gedenkrede der Oberbürgermeisterin
- Samstag, 1. März 2025, 13 Uhr, vor der Gedenktafel am Bergfried
- - Es gilt das gesprochene Wort -

Es war ein frühlingshafter Tag, als am 1. März 1945 ein Geschwader von 116 Bombern Anflug auf Bruchsal nahm. Um 13.50 Uhr waren die ersten Flugzeuge über der Stadt zu sehen.
Das war zunächst nicht ungewöhnlich. In den letzten Kriegsmonaten überflogen viele Bomberformationen den Oberrhein. Sie waren keine Bedrohung.
Am 1. März war jedoch alles anders. Diesmal fielen die Bomben auf Bruchsal. Von 13.54 Uhr an liefen drei Angriffswellen, bei denen 900 Spreng- und 50.000 Stabbrandbomben ausgeklinkt wurden.
40 Minuten dauerte der Schrecken. Danach war in Bruchsal nichts mehr wie zuvor.
Rund 80 Prozent der Bruchsaler Innenstadt war zerstört – 8.000 Menschen verloren Haus und Hof.
Zurück blieben Sprengtrichter, Schuttmassen und zahlreiche Einzelfeuer, die sich schnell zu einem Flächenbrand vereinigten.
Rund 1.000 Menschen fanden den Tod. Wen die Bomben trafen, das blieb dem Zufall überlassen. Es waren Kinder, Frauen und Männer. Es waren Menschen aus Bruchsal, Zivilisten und Soldaten, es waren Menschen aus den umliegenden Gemeinden, die in der Stadt arbeiteten.
Und es waren Kriegsgefangene und nach Deutschland verschleppte Zwangsarbeiter.
Es ist der wohl tiefste Einschnitt in der neueren Geschichte unserer Stadt gewesen, und er hat auch tiefe Spuren hinterlassen. Wie viele andere Städte in ganz Europa wurde das alte Bruchsal innerhalb kürzester Zeit weitgehend ausgelöscht.
Wer die Bombardierung überlebte, war oft körperlich und seelisch schwer gezeichnet.
Die Bilder, Geräusche und Gerüche dieser Stunden gingen vielen Menschen nie mehr aus dem Kopf.
Manche haben erst nach Jahren die Kraft gefunden, darüber zu sprechen.
Umso mehr weiß ich zu schätzen und bin sehr dankbar dafür, dass auch heute wieder ein Zeitzeuge bereit ist, über seine Erinnerungen zu berichten. Danke, lieber Herr Bernhard Schweikert, dass Sie heute bei uns sind.
Ohne das Erinnern verblast die Vergangenheit. Und das darf aus vielerlei Gründen nicht passieren.
Heute gedenken wir der Bombardierung von Bruchsal und wir gedenken der Opfer – ausdrücklich aller Opfer dieses grausamen, sechs Jahre währenden Krieges und der NS-Gewaltherrschaft. Europas Städte wurden in Schutt und Asche gelegt, viele Millionen Menschen starben und wurden aus ihrer Heimat vertrieben.
Unser Mitgefühl gilt den Opfern als einzelnen Menschen, gilt ihren individuellen Schicksalen. Es gilt dem persönlichen Schmerz der Hinterbliebenen und der Verletzten.
Doch dürfen wir, wenn wir bei diesem Gedenken das Leid der Menschen in den Mittelpunkt stellen, nie die Hintergründe für dieses Leid außer Acht lassen.
Erinnerung kann nicht auf Einzelereignisse beschränkt bleiben, sondern muss in viel umfassenderer Perspektive vergangenes und gegenwärtiges Unrecht und Leid im Blick haben.
Es waren Deutsche, die diesen Krieg begonnen haben. Die ersten Bomben, die fielen, waren deutsche Bomben. Schon am ersten Tag des Zweiten Weltkrieges, am frühen Morgen des 1. September 1939, zerstörten Flugzeuge der deutschen Luftwaffe die wehrlose und militärisch völlig unbedeutende polnische Stadt Wielun.
In diesen ersten Stunden des Krieges starben dort 1.200 der etwa 16.000 Einwohner. Die Gebäude im Stadtkern wurden durch Brände zu 90 Prozent zerstört.
Die Zahlen dieses ersten Luftangriffs des Krieges sind also fast dieselben wie fünf Jahre später bei uns am 1. März 1945 in Bruchsal, als der Krieg schon beinahe zu Ende war!
Die Bomben von Wielun gelten als erstes Kriegsverbrechen in diesem Krieg, den die Nationalsozialisten losbrachen. Und sie waren zugleich Vorboten einer Vernichtung, die sich im weiteren Verlauf des Krieges bald auch gegen Deutschland selbst richten sollte.
Daher darf unser Blick bei aller Trauer über die damaligen Verluste, bei allem Schmerz um die Toten, bei allem Unglück über den Untergang der alten Stadt nicht einseitig sein. Wenn wir am heutigen Tag nach der Bedeutung, nach den Ursachen und den Folgen des 1. März 1945 für unsere Stadt fragen, dann stellen wir diese Fragen im klaren Bewusstsein dieser Zusammenhänge. Wir müssen diese Fragen kritisch und selbstkritisch stellen, nur dann haben wir die Chance auf Antworten, die uns weiterbringen.
Gerade wir Deutschen dürfen Ursachen und Folgen nicht miteinander verwechseln. Denn was Bruchsal 1945 betroffen hat, das hatte seine Vorgeschichte in Wielun und in vielen weiteren deutschen Luftangriffen auf Rotterdam, Coventry und London.
Die Verknüpfungen zwischen diesen Ereignissen müssen wir uns deutlich bewusst machen.
Den Luftangriffen auf deutsche Städte und Gemeinden ging ein von Deutschland losgebrochener barbarischer Eroberungs- und Vernichtungskrieg voraus. An der ursächlichen Schuld des NS-Regimes gibt es keinen Zweifel. Andere Völker wurden zunächst Opfer des von Deutschland ausgehenden Krieges, bevor wir selbst zu Opfern unseres eigenen Krieges wurden.
Die Nationalsozialisten haben das Feuer entfacht, das am Ende auch in unserer Stadt brannte – und das auch bei uns Schuldige wie Unschuldige das Leben kostete.
Zu den Unschuldigen gehörten die Gegner des Nationalsozialismus, gehörten Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter. Und dazu gehörten vor allem die Kinder.
Am heutigen Nachmittag und Abend wird ein Theaterstück über das erste Bruchsaler Luftkriegsopfer aufgeführt, über die 15-jährige Hildegard Wiedemann, die bereits im Jahr 1940 bei einem ersten Angriff auf Bruchsal ums Leben kam. Ihr Vater war ein überzeugter katholischer Christ, bis 1933 Vorsitzender der Bruchsaler Zentrumspartei und ein Gegner des NS-Regimes. Und gerade seine Tochter starb als eines der ersten zivilen Opfer eines verbrecherischen Krieges, den die Nationalsozialisten begonnen hatten.
Mit dem 1. März 1945 und den vielen anderen Angriffen auf deutsche Städte kehrte dieser verbrecherische Krieg nach Deutschland zurück – an seinen Ausgangspunkt. Die Hinwendung vieler Menschen zu einer menschenverachtenden Ideologie schlug zurück und führte zur Zerstörung unserer Stadt.
Der frühere Freiburger Oberbürgermeister Rolf Böhme hat es einmal so formuliert:
„Am 9. November 1939 brannte die Synagoge. Viele Menschen schauten damals weg und schwiegen. Sechs Jahre später brannte die ganze Stadt, und niemand blieb mehr unbetroffen.“
Die Zerstörung von Bruchsal erscheint angesichts des nahenden Kriegsendes besonders sinnlos. Deshalb können wir die Ereignisse nur verstehen, wenn wir sie im Kontext der Geschichte sehen.

Der eigentliche Beginn des Grauens liegt bei der Machtübernahme Hitlers am 30. Januar 1933.
Mit ihrer Selbsterhöhung, ihrer Menschenverachtung, ihrem nationalistischen Gedankengut, ihrem Antisemitismus und ihrem Rassenwahn haben die Nationalsozialisten den Rechtsstaat und die Demokratie in der Weimarer Republik innerhalb von Monaten zerstört und ein totalitäres Gewaltregime implantiert.
Sofort begann die Verfolgung, Inhaftierung und Ermordung von politisch Andersdenkenden, von Menschen mit körperlichen und geistigen Einschränkungen, von Sinti und Roma. Ihren Höhepunkt fand die Rassenideologie in der systematischen Ermordung der Juden, wie sie in dieser Form einzigartig in der Geschichte ist.
Die Bilanz dieser zwölfjährigen Gewaltherrschaft und des Zweiten Weltkrieges sind fast 60 Millionen Tote. Auch ihrer gedenken wir heute hier am 1. März in Bruchsal. Es ist eine Mahnung, dass wir uns der Verantwortung aus dieser Geschichte bewusst bleiben. Gemeinsam wollen wir dafür Sorge tragen, dass dieses Vermächtnis auch 80 Jahre nach der Kriegszerstörung 1945 ein Teil unserer städtischen, deutschen und europäischen Erinnerung bleibt.
Immer mehr haben wir in den vergangenen Jahrzehnten gelernt – so hat es der israelische Schriftsteller David Grossman formuliert – „mit uns selber offen und ehrlich über die Vergangenheit zu reden“. Ja, das haben wir gelernt, und wir dürfen es keinesfalls wieder verlernen!
Denn wer sich der eigenen Vergangenheit nicht stellt, dem fehlt das Fundament für die Zukunft.
Und es darf auch kein Relativieren, keine Verharmlosung und kein Kleinreden geben. Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, zu verhindern, dass die Erinnerung missbraucht wird. Die Schrecken der Kriegsjahre dürfen niemals dazu ausgenutzt werden, um in unserer Zeit neuen Hass und politisch motivierte Vorurteile zu schüren.
Es gilt ein Wort von Bundespräsident Johannes Rau: „Die Last, die wir Deutschen aus unserer Geschichte zu tragen haben, wird nicht dadurch leichter, daß wir die eigene Schuld gegen die Schuld anderer aufrechnen. Denn damit beginnt die Verharmlosung, und mit der Verharmlosung beginnt das Vergessen. Verdrängen und Vergessen sind aber nicht die festen Pfeiler, die wir brauchen, wenn wir Brücken der Verständigung bauen wollen.“
80 Jahre sind seit der Zerstörung von Bruchsal vergangen.
80 Jahre: Für viele – vor allem für die jüngeren Generationen – kommt bei dieser Zahl vielleicht der Gedanke: All dies ist so lange her. Die meisten kennen zwar die Fotografien der zerbombten Stadt, die Trümmerwüste, die stehengebliebenen ausgebrannten Mauern ohne Dach.
Aber sie alle kennen diese Szenen eben doch nur noch von Bildern. Sie verbinden damit kein eigenes Erleben, keine eigene Erinnerung. Vielleicht bekam die Generation der Kinder und Enkel von ihren Eltern und Großeltern noch Geschichten über das Grauen erzählt. Aber für die meisten sind es doch schreckliche Szenen aus einer scheinbar schon sehr fernen Zeit vor 80 Jahren.
So lange liegt das Ende des Zweiten Weltkrieges zurück, und so lange auch haben zumindest große Teile von Europa keine bewaffneten Konflikte mehr erleben müssen. Es begann eine der längsten bisher bekannten Friedensperioden überhaupt. Das alles ist auf den ersten Blick richtig. Aber doch liegt darin auch eine Gefahr, nämlich die Gefahr einer trügerischen Sicherheit.
Die lange Zeit des Friedens hat uns glauben gemacht, dass die europäische Ordnung auf unserem Kontinent unverbrüchlich sei.
Und sie hat uns glauben gemacht, dass Frieden, Freiheit und Freundschaft selbstverständlich seien.
Aber wenn wir nun auf die Realität schauen?
Als wir gemeinsam vor fünf Jahren hier an gleicher Stelle an den 75. Jahrestag erinnert haben, dürfte uns ein Krieg zwischen Staaten in Europa noch als unvorstellbar erschienen sein. Die Angst vor einer Rückkehr des Schreckens glaubten wir dank des europäischen Friedensprozesses nach 1945 und nach dem Ende des Kalten Krieges 1989 für immer überwunden.
Aus den Trümmern all der schrecklichen Erfahrungen haben die europäischen Nationen nach 1945 den Willen zur Versöhnung aufgebracht. Indem ein Lernen aus der Vergangenheit stattfand, konnten ehemalige Feinde wirklich zu Freunden werden. Die Vision eines geeinten Europas schien den größten Teil der Menschen zu verbinden, ebenso die Vorstellung, dass es keine nationalen Lösungen für internationale Probleme geben kann.
Keine nationalistische Überheblichkeit mehr, keine Alleingänge, keine Preisgabe der Demokratie. Die Achtung der Menschenwürde und der Menschenrechte wurde zum Leitbild. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ – die Präambel des Grundgesetzes ist die Antwort auf die deutschen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Sie ist der wichtigste aller demokratischen Grundwerte.
Die Würde des Menschen künftig zu wahren und zu gewährleisten – dies galt als die eigentliche politische Schicksalsaufgabe und die wichtigste kulturelle und politische Leistung nach dem Krieg. Dazu gehörte auch die Idee eines anderen, eines besseren Deutschlands innerhalb eines gemeinschaftlichen Europas: Ein demokratisches, rechtsstaatliches und ein pro-europäisches Deutschland.
Viele kleine Bausteine haben den europäischen Friedensprozess nach dem Zweiten Weltkrieg auf lange Zeit zum Erfolg gemacht. Bruchsal blickt in diesem Jahr auf den 60. Jahrestag der Partnerschaft mit Ste. Ménehould zurück – auch dies ist einer von vielen kleinen Bausteinen zu diesem erfolgreichen europäischen Friedensprozess nach dem Zweiten Weltkrieg.
Sichtbares Zeichen dieses Erfolgs war im Jahr 2012 die Verleihung des Friedensnobelpreises an die Europäische Union „für viele Jahrzehnte, die zur Entwicklung von Frieden und Versöhnung, Demokratie und Menschenrechten in Europa beitrugen“.
Aber dieser Friedensprozess der vergangenen 80 Jahre ist bedroht. Wir leben in einer Zeit großer Herausforderungen.
Auch in verschiedenen Ländern Europas sind der Nationalismus und ein bedenkenloser Populismus wieder stark auf dem Vormarsch. Wir haben das Gegeneinander von Staaten und Menschen überwunden geglaubt und sehen nun unsere Erfolge und Hoffnungen in Gefahr.
Vielleicht gerade deshalb, weil alles schon so lange her ist?
Vielleicht gerade weil immer weniger persönliche Erinnerungen an all den Schrecken und an all das Leid vorhanden sind?
Vielleicht gerade weil durch den Verlust dieser persönlichen Erinnerungen der Schrecken und das Leid verblassen und immer undeutlicher erkennbar werden?
Dabei gibt es doch in Europa und auf der ganzen Welt denkbar viele Orte, an denen diese Erinnerung gewissermaßen konserviert ist. Als Präsident der Europäischen Kommission sagte Jean-Claude Juncker den mahnenden Satz: „Wer an Europa zweifelt, der sollte Soldatenfriedhöfe besuchen.“ Dieser Satz ist heute vielleicht wichtiger und warnender denn je.
Denn auch 80 Jahre nach dem Ende des Zweites Weltkriegs ist die Welt alles andere als frei von Krieg, Gewalt und ideologisch motiviertem Hass.
Auch 80 Jahre nach Kriegsende richten Staaten die Waffen gegeneinander und ziehen in sinnlose blutige Schlachten um politische Ideologien, Herrschaftsgebiete und Rohstoffe.
Auch 80 Jahre nach Kriegsende bekämpfen sich Völker und Bevölkerungsgruppen aus religiösen, weltanschaulichen und wirtschaftlichen Gründen.
Ein Blick auf die Krisenherde unserer Welt zeigt in erschreckender Weise, wie viele Menschen unter einer solchen Gewalt zu leiden haben. Millionen sind täglich von Konflikten betroffen, sei es durch Kriege, Bürgerkriege oder terroristische Verbrechen.
Und immer wieder werden wir dadurch daran erinnert, dass Frieden, Freiheit und Demokratie alles andere als Selbstverständlichkeiten auf dieser Welt sind.
Spätestens seit dem Überfall der russischen Staatsmacht auf die Ukraine im Februar 2022 fällt das Wort „Krieg“ – oft auch mit dem Zusatz: „Krieg in Europa“ – regelmäßig: In den Nachrichten, in den Medien, in Gesprächen und Diskussionen.
Fast täglich sehen wir an den Bildern aus den Krisenherden dieser Welt, wie verletzlich Frieden, Freiheit und Demokratie sind.
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine und die Eskalation brutaler Gewalt durch die Hamas im Gazastreifen sind nur zwei von vielen blutigen Ereignissen in jüngster Zeit.
Krieg ist wieder zur nahen Realität geworden. Und immer wieder werden dabei Menschen zu Opfern, aber eben auch zu Tätern.
Deshalb ist es so wichtig, sich zu erinnern.

Wir müssen uns erinnern, um vor den Gefahren des wieder aufziehenden Nationalismus in Europa und hier in Deutschland – unmittelbar vor unserer Haustür – gefeit zu sein.
„Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus“ – dies hat die Menschen nach 1945 angetrieben – die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes ebenso wie die Bruchsaler/-innen.
„Nie wieder“, das war für viele eine Lebensaufgabe für die Zukunft.
„Nie wieder“, das war die Motivation – auch hier in Bruchsal – die zerstörten Städte wiederaufzubauen und das gesellschaftliche und politische Leben neu zu organisieren.
„Nie wieder“, das war der Anfang einer europäischen Geschichte, die zum ersten Mal von Frieden und Versöhnung geprägt ist.
Tatsächlich ist aus diesem „Nie wieder“ ein 80 Jahre währender Frieden erwachsen. Aus diesem „Nie wieder“ ist das geeinte Europa entstanden.
Das ist das größte Geschenk, das wir als nachfolgende Generationen erhalten haben.
Wenn wir deshalb heute an diejenigen erinnern, die am 1. März 1945 in Bruchsal ums Leben kamen, dann ruft uns dieses Gedenken dazu auf, Krieg, Hass und Gewalt nie hinzunehmen, sondern für unsere Werte einzutreten. Dies erfordert den Mut zum Einsatz für Demokratie, Menschenrechte und Toleranz.
Wer in einer Zeit des Friedens groß geworden ist, vergisst womöglich – oder hat es überhaupt nie erfahren! –, wie viel Einsatz und Engagement es fordert, Freiheit und Toleranz zu verteidigen.
Nur wer sich bewusst macht, wozu Menschen fähig sind, wer weiß, was geschehen kann, der ist auch in der Lage, den großen Wert von Demokratie, Frieden und Toleranz zu würdigen.
Aber gerade deshalb gelten auch in besonderem Maß die Worte des Auschwitz-Überlebenden Leon Weintraub: „Nehmt die Feinde der Demokratie ernst!“
Ich weiß, dass die Fragen, die sich uns angesichts der schwierigen aktuellen Weltlage stellen, nicht einfach sind.
Und ich weiß, dass wir es uns mit den verschiedenen möglichen Antworten darauf ebenfalls nicht einfach machen dürfen. Am wenigsten aber dürfen wir aufhören, uns den Fragen zu stellen und nach Antworten zu suchen.
Wir dürfen nicht wegsehen, wenn es darum geht, uns für friedliche Lösungen von Konflikten einsetzen.
Und wir dürfen uns nicht verweigern, wenn es darum geht, mitzuarbeiten an einem Frieden, der mehr ist als nur die Abwesenheit von Krieg.
Und wir machen uns bewusst, dass auch wir alle eine persönliche Mitverantwortung tragen für den Erhalt des Friedens und für die Wahrung der Menschenwürde.
Wir, jeder einzelne von uns, müssen uns täglich für unsere freiheitlichen Grundwerte einsetzen. Denn sie sind heute mehr bedroht als je zuvor. Das ist unsere Verantwortung! Wir haben es in der Hand, das Errungene zu bewahren und unsere Demokratie zu schützen. Es darf kein Zurück in die dunklen Zeiten unserer Geschichte geben!
Geschichte kann man nicht ungeschehen machen. Aber man muss aus der Vergangenheit Rückschlüsse und Lehren für Gegenwart und Zukunft ziehen.
Das Beispiel des europäischen Friedensprozesses kann uns Vorbild und Ermutigung sein, als Europäer auch in den Krisengebieten der Welt ausgleichend, schlichtend und versöhnend zu wirken. Und so damit beizutragen, dass in dieser einen Welt alle Menschen in Sicherheit und Würde leben können.

- Ich darf nun an dieser Stelle Herrn Bernhard Schweikert, der als damals 14-Jähriger den Luftangriff auf Bruchsal vor 80 Jahren miterlebt hat, an das Rednerpult bitten und danke ihm herzlich dafür, dass er seine Erinnerungen an die damaligen Ereignisse mit uns teilt.
Gemeinsam gedenken wir nun an dieser Stelle der Ereignisse vor 80 Jahren und wollen uns dabei auch unserer heutigen Verantwortung für Toleranz, Versöhnung und Frieden bewusst sein.
Wir erinnern an die Toten des Luftangriffs, an die Opfer der NS-Gewaltherrschaft und des Zweiten Weltkriegs und an alle Leidtragenden durch Krieg und Gewalt bis auf den heutigen Tag.
Ich danke Ihnen für diese Gedenkminute. Lassen Sie uns das Bombardement auf Bruchsal als Beispiel für alle schrecklichen und grauenhaften Kriegshandlungen in Erinnerung behalten.
Lassen Sie uns innehalten und an die Sinnlosigkeit des Krieges denken. Lassen Sie uns aktiv daran arbeiten, dass der nun fast 80 Jahre währende Nachkriegsfrieden auf Dauer Bestand hat und Geschichte sich nicht wiederholt.
In den kommenden Minuten, zwischen 13.50 Uhr und 14 Uhr, läuten auch in diesem Jahr die Glocken aller Bruchsaler Kirchen zur Erinnerung an die Zerstörung der Stadt.
Ich darf Sie nun im Anschluss einladen zum Gedenkkonzert in der Lutherkirche, das um 14 Uhr beginnt.
Ich danke Ihnen für Ihr Kommen.
Dieser Text erscheint auf PhenixXenia.org durch freundliche Unterstützung der Stadtverwaltung Bruchsal.