Der Systemkampf seit Fukushima (II): Sündenbock EEGUmlage (aus ISBN 978-3451309267)

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Es ist richtig, dass der Strom bezahlbar sein muss. Es ist nicht richtig, die EEG-Umlage als alleinigen Faktor für steigende Strompreise zu missbrauchen.

Das EEG ist das zentrale Instrument der Energiewende. Es regelt die Förderung der Erneuerbaren Energien durch garantierte Einspeisevergütungen sowie durch den Einspeisevorrang. Heißt: Jeder, der Strom mit Erneuerbaren Energien produziert, kann ihn zu einem festgelegten Preis ins Stromnetz einspeisen.

Die EEG-Umlage beträgt im Jahr 2013 5,28 Cent pro Kilowattstunde. Für einen durchschnittlichen Familienhaushalt mit einem Verbrauch von 4.000 Kilowattstunden pro Jahr sind das etwa 15 Euro pro Monat.

Darüber hinaus liegen die Gründe für die steigenden Stromkosten nicht nur bei der EEG-Umlage. Die Großkonzerne benutzen die Umlage als Alibi für die eigene Preistreiberei. Einer Studie der Uni- versität für Technik und Forschung des Saarlandes zufolge haben die Großkonzerne von 2002 bis 2009 ihre Gewinne vervierfacht. Dennoch wird die Sachlage von ihnen und ihren Protegés seit Jahren auf die Formel reduziert: Ökostrom macht den Strom teuer, Kohlestrom macht den Strom bezahlbar. Was nützt uns die Umwelt, wenn wir den Strom nicht mehr bezahlen können?


Das EEG leistet genau das, was es soll: Erneuerbare Energien in den Markt bringen und technologisch und preislich entwickeln. Es ist im Sinne Hermann Scheers die erste wirkliche systemische Umschichtung, weil es den Vorrang der Erneuerbaren regelt. Deshalb wirkt es.

Und deshalb wird es bekämpft.

Ohne staatlich festgelegte Rahmenbedingungen wäre die bereits teilweise erfolgte Transformation von schmutzig zu sauber nicht möglich gewesen. Der Staat hat vor einigen Jahrzehnten durch finanzielle Unterstützung die Atomenergie durchgesetzt, die nur deshalb wachsen konnte, weil der Staat den Stromproduzenten enorme finanzielle Unterstützung zuteilwerden ließ. Laut einer Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft im Auftrag von Greenpeace förderte der Staat die Atomwirtschaft von 1950 bis 2008 mit 164,7 Milliarden Euro. Im Gegensatz dazu – und ebenso zu den Subventionen in der Kohleindustrie – ist es bei der sauberen Energieproduktion allerdings so, dass die Anschubkosten nicht der Staat übernimmt, sondern direkt der Stromkunde. Mehr noch: Der Stromkunde übernimmt auch die Kosten der energieintensiven Großunternehmen, die 2012 mit 2,5 Milliarden Euro entlastet wurden. Heute dürfte die Zahl allerdings noch dramatischer sein: Waren 2012 noch rund 730 Unternehmen mit 979 Abnahmestellen von der Zahlung der EEG-Umlage befreit, so hat sich ihre Anzahl bis heute stark erhöht. 2013 liegt die Zahl der befreiten Abnahmestellen bei 2.262. Die Erhöhung der EEG-Umlage, urteilte der Bund der Energieverbraucher, gehe zu einem großen Teil auf „die gesetzwidrige Befreiung von Großbetrieben durch die Bundesregierung zurück“. Also auf Subventionen für Unternehmen. Hier stellt sich die Frage, warum zum Beispiel eine Krankenschwester, die ja bekanntlich ein relativ niedriges Einkommen hat, die mächtigen Konzerne mitfinanzieren soll. Ist das tatsächlich gesellschaftlich fair und ethisch? Doch das sind nicht die einzigen Kosten, für die wir Verbraucher aufkommen.

Derzeit übernehmen wir als Gesellschaft auch die immensen Folgekosten der Kohle- und Atompolitik. Atom- und Kohlestrom haben zusammen seit 1970 429 Milliarden Euro Subventionen bekommen, so eine Studie von Greenpeace Energy. Dort wird die „versteckte Konventionellen-Umlage“ samt gesellschaftlicher Folgekosten auf 10,2 Cent pro Kilowattstunde beziffert. Das ist das, was wir jenseits der Stromrechnung dafür bezahlen. Würden diese Subventionen, die Schäden der Kohleproduktion, die Entsorgung des Atommülls und andere Folgekosten auf den Strompreis umgelegt, so wäre für jeden ersichtlich, dass Atom- und Kohlestrom alles andere als günstig sind. Von einem Reaktorunglück und den anfallenden Kosten gar nicht zu sprechen.

Gleichzeitig sorgt die steigende Menge an Erneuerbaren im Netz dafür, dass der Strompreis an der Börse in Leipzig stetig sinkt. Was wiederum der Großindustrie zugutekommt, nicht aber dem einzelnen Stromkunden, denn an ihn werden diese Profite nicht in Form gesenkter Strompreise weitergegeben. Der Stromkunde muss also die steigende EEG-Umlage bezahlen, partizipiert aber nicht an den daraus resultierenden Preissenkungen an der Strombörse. Das erhöht den Gewinn der Energiekonzerne, die daher faktisch trotz Wehklagens über die Schließung einiger Atomkraftwerke in den Jahren 2011 und 2012 weiterhin prächtig verdient haben.

Das heißt: Mit dem EEG verteilt der Staat das Geld um – weg von den Privathaushalten und hin zu den Großkonzernen. Und dann tun Politiker wie Brüderle auch noch so, als sei das EEG der einzige Grund, der den Strompreis hochtreibe. Nebenbei kassiert auch der Staat über die Mehrwertsteuer am Strompreis – ganze 19 Prozent. Selbstverständlich auch von der Rentnerin, um die sich Altmaier so sorgt. „Wir haben kein Kostenproblem, sondern ein Problem mit einer Regierung, die den Ausbau der Erneuerbaren abbremst, weil dann Kohlekraftwerke nicht mehr profitabel wären“, brachte es Jürgen Trittin, Fraktionsvorsitzender der Grünen und früherer Umweltminister, in einem Gespräch mit der Wirtschaftswoche auf den Punkt.


Hinter den Horrorszenarien über Millionen Menschen, denen der Strom abgestellt wird, steckt nicht nur die Absicht, das EEG zum Sündenbock zu erklären, sondern gleichzeitig auch der Versuch, über anderes nicht sprechen zu müssen. Dazu gehören zum Beispiel die steigenden Benzinpreise oder auch, dass wir dringend unsere Abhängigkeit von Öl und Gas reduzieren müssen.

Ich will das Problem nicht verharmlosen, wenn sozial Schwächere ihren Strom nicht mehr bezahlen können. Ich stand mal in der Post neben jemandem, der Geld einzahlte an seinen Stromversorger, weil man ihm den Strom abgestellt hatte. Er zählte das Geld in Münzen auf die Theke, und das fiel ihm sichtbar schwer. Das sehe ich heute noch vor mir.

Aber die meisten Leute kennen die Zusammensetzung ihrer Stromrechnung gar nicht und sehen weder die wahren Kostenfaktoren noch die Einsparpotenziale. Wären sie am Rande des Stromruins, so wäre das anders. Und wenn es der Politik wirklich um solche Menschen geht – und das sollte es –, um diejenigen, die sich Strom nicht mehr leisten können, dann hat sie viele Möglichkeiten, das sozialer zu gestalten. Ich bevorzuge die Idee der Stapeltarife. Das bedeutet, dass nicht der wenig bezahlt, der viel verbraucht, sondern der, der wenig verbraucht. Das kann man auch pro Kopf berechnen, so dass eine mehrköpfige Familie davon profitiert. Es hat zudem einen positiven Nebeneffekt, wenn die ersten Kilowattstunden billiger sind als die folgenden: Man entwickelt einen ernsthaften Umgang mit Strom. Der Verbrauch wird ein Faktor und geht in die Alltagskultur und das Alltagshandeln ein. Damit ist ein deutlich größerer Geldbetrag einzusparen als mit der Ausbremsung des Ausbaus der Erneuerbaren.

Es ist für mich dennoch keine Frage, dass das EEG immer weiterentwickelt werden muss, weil sich beim sukzessiven Ausbau der Erneuerbaren Energien neue Situationen ergeben. Was in einem frühen Stadium des Ausbaus zwingend notwendig war, stellt sich in einem fortgeschrittenen anders dar. Bisher sind Wind und Sonne gewachsen, während Atom und Kohle die Grundlast sicherten.

Jetzt müssen diese beiden Welten zusammengebracht werden.

Aber die Essentials bleiben in jedem Stadium dieselben und müssen bewahrt werden, damit es dynamisch funktioniert: Ich meine eine breite Beteiligung von Investoren und Bürgern. Dafür braucht es Anreize und eine Begrenzung der finanziellen Risiken. Da erneuerbare Rohstoffe nichts kosten, wird der Strompreis fast ausschließlich von Zins- und Tilgungskosten bestimmt. Deshalb ist ein Festpreissystem das günstigste Modell. Nur so kann die Abschreibungszeit maximiert und die Zinsbelastung sowie die Renditeerwartung des Investors minimiert werden. Wenn eine feste Menge an Strom ausgeschrieben wird – was die FDP immer wieder fordert –, dann gibt es diese Sicherheit nicht und daraus resultieren kürzere Abschreibungszeiträume und deutlich höhere Zinsen sowie Renditeerwartun- gen. Außerdem werden in der Regel kleinere Unternehmen und erst recht Bürger von Ausschreibungen ausgeschlossen.

Das soll liberal sein? Das soll marktwirtschaftlich sein? Für mich ist das pure Planwirtschaft zum Wohle der Großkonzerne.

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