Der Systemkampf seit Fukushima: von der „Stromlücke“ zur Erneuerbaren-Bremse (aus ISBN 978-3451309267)
Die Energiekonzerne und die schwarz-gelbe Regierung hatten mit großem Aufwand die Rücknahme des Atomausstiegs und die Verlängerung der vereinbarten Laufzeiten der siebzehn deutschen Atomkraftwerke zuwege gebracht. Doch nach der Atomkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 war klar, dass dieser Ausstieg aus dem Ausstieg nicht haltbar sein konnte.
Was tun?
Nach Abschaltung von acht der siebzehn Atommeiler intensivierten die Gegner der Erneuerbaren ihre Geschichte von der „Stromlücke“. Botschaft: Um Gottes willen, Erneuerbare Energien können Atomstrom nicht so schnell ersetzen. Wir werden in Deutschland im Dunkeln und im Kalten sitzen, die Wirtschaft wird zusammenbrechen und auch sonst wird nichts mehr gehen.
Es saß dann aber niemand im Dunkeln und im Kalten.
Im Gegenteil. Schon im kalten Februar 2012 haben wir Strom ins Ausland und auch nach Frankreich exportiert, als die dortigen Atommeiler am Anschlag waren. Auch 2013 exportiert Deutschland Strom, weil man mehr produziert, als man braucht. Die Drohung mit einer Stromlücke war also nicht aufrechtzuerhalten. Daher drehte man die Argumentation um und sagt seither: Um Gottes willen, wir haben zu viel erneuerbaren Strom.
Zu viel?
Gerade noch hieß es, die Erneuerbaren könnten unmöglich ab 2022 den Anteil der dann vollständig abgeschalteten Atomkraftwerke übernehmen, jetzt will man den Ausbau bis dahin auf 35 Prozent bremsen. Die Begründung ist nun nicht mehr, dass es nicht geht, sondern dass es zu schnell geht. Das gegenwärtig wichtigste Argument der Gegner der Energiewende lautet: Ökostrom mache den Strompreis immer teurer und sei damit unsozial.
Derart argumentierte CDU-Umweltminister Peter Altmaier auch bei
einem persönlichen Treffen mit mir, kurz bevor er seine sogenannte
Strompreisbremse im Frühjahr 2013 mit viel Getöse durchsetzen
wollte. Da hieß es: Werde die Energiewende zu teuer, gehe die
Akzeptanz für sie verloren und das müsse verhindert werden. Er
bezifferte die Kosten auf eine Billion Euro, wenn man nicht die Einspeisevergütungen
ändere, also das EEG. Mit der Panikmache trug
er gezielt dazu bei, dass die Energiewende von manchen nur noch
als Risiko verstanden wurde.
Vermiedene Umweltschäden schön und gut, aber „der Rentnerin oder dem Familienvater“ sei das „nur ein begrenzter Trost, wenn sie nicht wissen, wie sie ihre Stromrechnung bezahlen sollen“, so Altmaier. Selbstverständlich kam er auch mit meinem Lieblingsargument, dem angeblichen Dilemma, dass der Wind nicht 24 Stunden am Tag weht. „Wir brauchen zusätzlich neue konventionelle Kraftwerke als Reserve – für die Zeit, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht“, sagte er.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich habe Herrn Altmaier bei mehreren Gelegenheiten als sympathischen Menschen und kompetenten Politiker kennengelernt. Aber derzeit ist er prioritär ein populistischer Wahlkämpfer, der teilweise selbst bremst und gleichzeitig von seinem Kollegen Wirtschaftsminister gebremst wird. In einer anderen Konstellation kann er durchaus der richtige Mann sein, um die Energiewende voranzubringen.